Mikao Usui in der Meiji-Zeit (1868-1912)
Der folgende Artikel beschreibt die historischen Zusammenhänge aus Mikao Usuis (1865-1927) Leben und der Meiji-Zeit (1868-1912).
Die Meiji-Zeit ist eine Periode in der japanischen Geschichte, die weite Teile des Lebens des Mikao Usui umfasst. Sie beginnt mit der Inthronisierung des Kaisers Mutsuhito (1852-1912) im Jahre 1868. Zu jener Zeit war Mutsuhito gerade mal 16 Jahre alt, daher hatte er seit Anbeginn der Regierung politische und militärische Berater. Es heisst zwar, dass er nach der über tausend Jahre währenden Herrschaft der Samurai durch den Shogun 将軍, die vollständige Macht des Tenno wieder erlangt hatte, jedoch war er kaum in der Lage so jung ein Land zu führen.
Usui soll dem Meiji-Tenno sehr gut gesonnen gewesen sein. Es heisst, dass er ihn sogar verehrte. Dazu gibt es auch Hinweise auf dem Gedenkstein des Mikao Usui bei seinem Grabe beim Tempel Saihôji in Tokio. Auf der Inschrift heisst es im Teil der Usui-Lebensregeln, dass man zuerst den Instruktionen des verstorbenen Meiji-Tenno folgen solle. Dies sei die Grundlage der kontemplativen Meditation mit den Lebensregeln.
Ausgehend davon, dass Mikao Usui ein gebürtiger Samurai aus der Familie des Chiba-Clans war und die Samurai sich als Beschützer des Tenno sahen, ist die Verehrung des Tenno kaum verwunderlich.
Während sich Japan in der Meiji-Zeit wandelte, probierte sich Usui in verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Das war für damalige Verhältnisse normal, weil die ursprünglichen Tätigkeiten als Samurai nicht mehr ausgeführt werden konnten. Lediglich Kampfkunst und Spiritualität gehörten weiterhin zum kulturellen Leben. Als ehemaliger Samurai trainierte Usui offenbar Zeit seines Lebens Kampfkunst und als Mönch der Tendai Schule des Tantrischen Buddhismus war er für seine Zeitgenossen als spiritueller Meister und Heiler tätig. Die Lebensregeln soll Usui bereits seit dem Jahre 1917 gelernt haben. Das sind etwa vier Jahre bevor Mikao Usui den Kurama-Berg bestieg und während seiner Vision (manche nennen es auch Erleuchtung) in Reiki eingeweiht wurde.
Was Usuis Broterwerb anbelangte, war er wohl für eine Weile Sekretär des Politikers Shinpei Goto 後藤 新平 (1857-1929) und versuchte mehrfach sich selbstständig zu machen. Das schien nicht immer erfolgreich gewesen zu sein. Für die damalige Zeit keine Seltenheit, denn viele ehemalige Samurai versuchten hier und da Fuß zu fassen. Zudem hatte es den Anschein, dass er sich nicht von seinem spirituellen Weg abhalten ließ, da er die Sage-Brauerei seiner Familie nicht übernehmen wollte.
Die Öffnung Japans gegenüber dem Westen und das Lernen wollen vom Westen in der Meiji-Zeit, hat es Usui selbst ermöglicht, in den Westen zu reisen, wobei nicht ganz genau sicher ist, wohin er sich genau begab. Auf dem Gedenkstein heisst es lediglich dazu, dass er in den Westen reiste. Mit dem dort für den Westen verwendeten Begriff ôbei 欧米 ist Europa und Amerika gemeint.
Der Ära-Name Meiji
Kaiser Mutsuhito wählte für die lebenslange Regierungszeit ab Inthronisierung den Begriff Meiji 明治 als Ära-Name. Gewöhlich ist es so, dass ein jeder Kaiser (jap. Tenno) zur Thronbesteigung eine eigene Jahresdevise (nengô 年号) wählt. Damit beginnt dann ebenfalls die Zählung der Jahreszahlen, statt des gregorianischen Kalenders. Meiji 1 entspricht der Jahreszahl 1868. Das letzte Jahr der Meiji-Zeit ist das Todesjahr des Tenno. Nach seinem Tode bekam der Kaiser Mutsuhito den posthumen Namen Meiji-Tenno. Man spricht ab dem Zeitpunkt über die Meiji-Zeit und vom Meiji-Tenno, nicht mehr vom Kaiser Mutsuhito.
Mikao Usui wurde drei Jahre vor Beginn der Meiji-Zeit geboren. Weite Teile seines Lebens betreffen daher die Meiji-Zeit. Nach dieser folgte die Taishô-Zeit (1912-1926), welche genau die letzten 14 Jahre seines Lebens umfasste. Der Gedenkstein wurde 1927 im ersten Jahr der Shôwa-Zeit (1927-1989) bei seinem Grabe von Samurai errichtet.
Usui und der Meiji-Tenno
Auf dem Gedenkstein des Mikao Usui in Tokio, beim Tempel Saihoji, wird erwähnt, dass es sich bei den Usui-Lebensregeln um die Lehre des Mikao Usui handelt. Gleichzeitig heisst es dort auch, dass man grundlegend den „Instruktionen des verstorbenen Meiji-Tennô“ Folge leisten sollte. Daher kam es im Westen einst zur Annahme, dass die Usui-Lebensregeln ebenfalls vom Meiji-Tenno verfasst wurden. Dagegen sprechen jedoch einige historische Fakten.
Der japanische Religionswissenschaftler und Reiki-Meister Tokida erklärt dazu folgendes: Die Mehrzahl der heutigen Japaner kann derart komplexe Texte in klassischer japanischer Schriftsprache kaum noch lesen, geschweige denn verstehen. Im Japanischen ist das Befolgen des Meiji-Tenno, dem Durchführen der Meditation mit den Lebensregeln vorangestellt. Dies bedeutet, dass zu damaliger Zeit der Meiji-Tennô über der Lehre des Usui stand. Zu jener Zeit bis Ende des Zweiten Weltkrieges ging man davon aus, dass der Tenno göttlicher Abstammung sei.
Manche Reiki-Meister im Westen sind der Ansicht, dass die Beschäftigung und Rezitation der Gedichte des Meiji-Tenno im Zusammenhang mit Reiki und den Lebensregeln ebenso wichtig seien und, dass diese sogar für spezielle Anwendungen im Zusammenhang mit Reiki, wie etwa der Mentalheilung, benutzt wurden. Dem soll hier weder widersprochen, noch soll dies hier näher beleuchtet werden. Tokida entgegnet dem hingegen, dass die Gedichte lediglich ein persönlicher Ausdruck von Emotionen aus seinem Leben sind. Folglich sollen sie weder etwas mit Reiki, noch mit dem Befolgen der kaiserlichen Instruktionen zu tun haben.
Die kaiserlichen Instruktionen beziehen sich auf einen kaiserlichen Erlaß (chokugo 勅語) bzw. auch ein kaiserliches Dekret, genannt chokurei 勅令, im Rahmen einer Rede des Meiji-Tenno an das Volk vom 30. Oktober 1890. Darin sind 12 Punkte über tugendhaftes Verhalten enthalten, jedoch keine der fünf Lebensregeln des Mikao Usui, wie sie auf dem Gedenkstein und auf der Kalligraphie erklärt werden. Der japanische Begriff chokurei 勅令 für das kaiserliche Dekret, erinnert zudem von der Aussprache an das Symbol zur Kraftverstärkung des zweiten Grades Usui Reiki.
Die Inhalte des Dekrets zeigen Sätze auf, die an einige alte Übersetzungen der Usui-Lebensregeln erinnern. Bisweilen wurde vermutet, dass solche Versionen der Lebensregeln von Frau Takata stammen. Das scheint damit nun vorerst widerlegt. In jedem Fall müssen diese Inhalte jemanden in der Geschichte des Reiki bekannt gewesen sein, denn sonst hätten sie kaum Einzug in den Text der Lebensregeln, als Übersetzung, finden können.
Der Ursprung der Lebensregeln ist initial aus Sicht von Dr. Mark Hosak, eher auf die Quellen zurückzuführen, auf die Usui als Mönch zurückgegriffen hat. Denn es gibt ein Sutra des tantrischen Buddhismus, welches 108 Verhaltensweisen aufzeigt, deren Zusammenfassung die fünf großen Themen der Usui-Lebensregeln darstellen.
Die Bedeutung des Ära-Namens Meiji
Den Namen der Ära soll Tenno Mutsuhito selbst für die Meiji-Zeit ausgesucht haben. Bedeutungen der Kanji (Schriftzeichen) von Meiji:
Mei 明 – Licht, Helligkeit, klar und hell, Weisheit, Mantra
Ji 治 – Friede, heilen, gesunden, beruhigen und regieren
Zusammen ergeben sich mehrere Übersetzungsmöglichkeiten:
- Lichtvoller Friede
- mit Licht heilen
- weise regieren
- Mantra des Friedens
Historisch bekannt ist jedoch diese Übersetzung:
- Aufgeklärte Herrschaft
Die Gesinnung des Meiji-Tenno
Der Meiji-Tenno war ein leidenschaftlicher Dichter und Kalligraf. Beides nutzte er, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, während er durch die Ereignisse der sich wandelnden Ära innenpolitisch, außenpolitisch, kulturell und militärisch in zahlreiche Themengebiete involviert war.
Nun heisst es vom Meiji-Tenno, dass ihm das Führen der Kriege gegen China und Russland gesundheitlich nicht bekommen seien und diese ihn erheblich altern ließen, wenngleich er hätte viel älter werden können.
Von daher sind die Übersetzungen seiner Jahresdevise Meiji 明治 entsprechend einzuordnen. Die Übersetzung „aufgeklärte Herrschaft“ scheint eher einen politischen Einfluss zu zeigen, mit dem der Meiji-Tenno als Herrscher gezeigt wird, der Japan zur Grossmacht führte. Ob sich das der 16jährige Meiji-Tenno zu seinem Regierungsantritt selbst so vorstellte, während man die Jahresdevise auch mit „lichtvollen Frieden“ oder „Mantra des Lichts“ übersetzen kann, mag jeder Leser selbst entscheiden.
Die Meiji-Restauration
Vorgeschichte 1: Politik der Abkapselung
Etwa 250 Jahre führte Japan unter der Herrschaft des Shogun eine Politik der Abkapselung sakoku 鎖国 von der Aussenwelt. Dabei war es Japanern nicht erlaubt das Land zu verlassen und Ausländer durften das japanische Inselreich auch nicht betreten. Die einzige Ausnahme war die kleine künstliche Insel Dejima 出島 vor Nagasaki. Dort herrschte ein reger Handel mit den nicht christlichen Niederländern, die keine missionarischen Ambitionen zeigten.
Vorgeschichte 2: Wie sich Japan dem Westen öffnete
Aufgrund der Abkapselung, konnten keine Schiffe, nachdem sie den Pazifik überquert hatten, in Japan landen um das Land mit Proviant zu versorgen. Das war den Amerikanern ein Dorn im Auge. So kam es 1853 zur Öffnung der Häfen, als Commodore Perry mit seinen schwarzen Schiffen (kurofune 黒船) samt Kanonen das Feuer eröffnete.
Die militärische Unterlegenheit der Japaner hätte dazu führen können, das Japan wie die anderen Nachbarländer, kolonialisiert wird. Um dem entgegenzuwirken, begann eine Zeit der Anpassung an Europa in wirtschaftlicher, kultureller, politischer und militärischer Hinsicht.
Die Abschaffung der Samurai
Bis zum Beginn der Meiji-Zeit 1868 und noch darüber hinaus, kam es in Japan zu etlichen Umstrukturierungen. So führte die Einführung der Wehrpflicht dazu, dass der Stand der Samurai nutzlos wurde. Die Samurai versuchten zwar sich dem zu widersetzen, scheiterten jedoch bei den Aufständen, bis schließlich 1867 der letzte Shogun abdankte.
1876 wurde dann der Samurai-Stand abgeschafft. Zu der Zeit war Usui gerade 21 Jahre alt. Er wurde als Samurai, drei Jahre vor der Meiji-Zeit, geboren und folglich als Samurai erzogen. Somit bekam er den Wandel dieser Zeit umfassend mit.
Bis 1877 kam es während des Wandels in der Meiji-Zeit zu einigen Rebellionen. Die Samurai glaubten, sie würden mit ihrem Stand dem Tenno ihre Treue und Ergebenheit zeigen. Die Berater hingegen, die eng mit dem Tenno zusammenarbeiteten, betrachteten die Samurai jedoch als Gegner des Tenno. Der Tenno selbst stand zwischen den Parteien.
Die Abschaffung der Samurai mit allen Konsequenzen und die Inthronisierung des Meiji-Tenno ist die Grundlage für alle weiteren Entwicklungen in Japan. Dieser Zeitabschnitt wird als Meiji-Restauration bezeichnet.